"Blondies" im Keller

Der Eine oder Andere wird sich jetzt sicher Fragen, was es denn über den gemeinen Endler Guppy Interessantes zu berichten gibt. Das Verhalten wird es sicher nicht sein, wenn man wildes "Herumwuseln" (ich bitte die schlechten Fotos zu entschuldigen) nicht gerade als erwähnenswertes Verhalten ansieht. Und zu besonderen Haltungsbedingungen gibt es - abgesehen davon, daß ich die Tiere entgegen landläufigen Empfehlungen (hartes Wasser) schon seit Jahren in fast reinem Osmosewasser halte - auch nichts Weltbewegendes zu berichten.

Poecilia wingei - Normalfarbenes Männchen

Normalfarbene Männchen aus dem Stamm, welcher
die Mutation hervorgebracht hat

 Ich halte den Endler eigentlich hauptsächlich zur Bereicherung des Speiseplanes meiner Rotrückenskalare. Außerdem eignen sich Endler auch bestens als Feindfisch für diverse Zwergbuntbarsche (Apistogramma, Dicrossus, Biotoecus). Sicher wären dazu auch "normale" Guppys geeignet, wenn nicht gar wegen ihrer höheren Reproduktionsrate noch ein wenig besser. Aber ich mag diese diversen abscheulichen Zuchtformen (insbesondere diverse Hochzuchtguppys) bzw. Karikaturen eines natürlichen Lebewesens, welche sich kaum mehr normal bewegen können, einfach nicht. Für mich sind gerade diese Guppyschauen, auf denen massenweise fast bis zur Unkenntlichkeit verzüchtet Kreaturen nach kaum nachvollziehbaren Kriterien bewertet werden (auf sowas kann nur der Mensch kommen), nichts anderes als "Freakshows".

So kam ich vor einigen Jahren zu einer kleinen Gruppe Endler Guppys, welche sich reichlich vermehrten und meinen Skalaren die eine oder andere Mahlzeit bescheren. Zur Zeit habe ich hier ca. 50 ausgewachsene Weibchen, ca. 20 Männchen und unzählige Jungtiere. Soweit also nichts Spannendes zu berichten.

April 2007

Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - goldenes Jungtier 
 Eines der goldenen Jungtiere

Beim obligatorischen Jungtierabfischen in einem 25l-Becken, welches mit einer Gruppe von 10 Endlern besetzt ist, fielen mir erstmals drei deutlich hellere, goldgelbe Jungtiere auf. Albinos waren es nachweislich nicht, hatten sie doch schwarze Augen. Vielmehr handelt es sich wohl um eine xanthorische Form oder - wie man wohl in Guppyzüchterkreisen sagt - um "blonde" Tiere.

Wie kam es nun zu den Tieren? Da sich der Stamm seit ca. drei Jahren in meinen Becken tummelt, nur auf fünf Tiere (2m/3w) zurückgeht, die Tiere in besagtem Becken mit Sicherheit schon die F8- oder F9-Generation bei mir sind und seitdem auch keine Tiere aus einem anderen Stamm hinzugekommen sind, möchte ich eine Verunreinigung durch irgendeine Zuchtform fast ausschließen. Zumindest halte ich diese Ursache nach so vielen Generationen für äußerst unwahrscheinlich. Zudem habe ich vor einiger Zeit schon einmal von einer solchen Mutation in einem langjährig gehaltenen Stamm gehört, seinerzeit sind aber wohl alle Tiere einer Krankheit zum Opfer gefallen. Falls jemand bereits ähnliche Beobachtungen gemacht hat, wäre ich an einem Bericht sehr interessiert.

Ich habe die Tiere auf jeden Fall erst einmal separat gesetzt, mal sehen, wie sie sich entwickeln.

Mai 2007

Ca. vier Wochen nach dem ersten Auftreten der hellen Tiere, habe ich drei weitere "Goldstücke" entdeckt.


18.06.2007 - Nachschub

Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - goldenes Jungtier
Ca. vier Wochen altes Jungtier

Wieder ungefähr vier Wochen vergangen und wieder sind drei hell gefärbte Tiere dabei. Der immer gleiche zeitliche Abstand läßt mich inzwischen vermuten, daß es sich evtl. immer um das gleiche weibliche Tier handelt, welche die Farbmutante hervorbringt.

Bei den drei ersten im April entdeckten Tieren scheint es sich anhand der Form der Afterflosse um ein Männchen (wobei der in der Größe bei Männchen charakteristsche schwarze Fleck auf der Flanke fehlt) und zwei Weibchen (auch hier ist der sonst sehr früh erkennbare "Trächtigkeitsfleck" nicht zu erkennen) zu handeln.

Ich werde die Tiere weiter aufziehen und dann demnächst mal schauen, wie die Nachkommen der Tiere aussehen, wenn es denn welche gibt. Danach werde ich dann auch entscheiden, ob ich die Tiere in den Umlauf bringe (erste Anfragen kamen schon, man hat mir gar für die ersten drei Tiere einen beachtlichen Betrag geboten. Sind sie wirklich so selten?) oder ob sie im Magen meiner Skalare verschwinden.

30.06.2007

Nun sind es elf "blonde" Tiere. Ich habe gerade zwei weitere herausgefischt. Man hält sich also nicht mehr an den Vier-Wochen-Rythmus. Somit ist obige Vermutung wohl hinfällig.

Die ersten drei Tiere sind nun anhand des fast voll ausgebildeten Gonopodiums eindeutig als Männchen zu identifizieren, also leider kein Weibchen dabei. Eine Zeichnung - wie sonst bei jungen Männchen der normalgefärbten Tiere in diesem Alter üblich - ist nach wie vor nicht zu erkennen.

28.09.2007

Inzwischen schwimmen hier gut 40 z.T. ausgewachsene Tiere herum und - zu meiner Freude - sind beide Geschlechter vertreten. Nun gilt es den ersten Nachwuchs abzuwarten, dann wird man sehen, ob die Nachkommen ebenfalls alles "blonde" Tiere sind. Aber ich meine mal gelesen zu haben, daß das Merkmal "xanthorisch" rezessiv ist, also ist wohl von reinerbig "blondem" Nachwuchs auszugehen.

12.12.2007

Die Anzahl der Tiere hat sich inzwischen gut verdoppelt und die obige Annahme scheint sich zu bewahrheiten. Bisher ist sämtlicher Nachwuchs ebenfalls "blond". An dieser Stelle nochmal einige etwas bessere Fotos. Leider machen die zappeligen Gesellen einem das Fotografieren nicht gerade leicht.

Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - Weibchen
Weibchen
Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - Gruppe
Gruppe blonder Endler
Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - junges Männchen
Junges Männchen

15.02.2008

Die letzte überschlagsmäßige Zählung beim Umsetzen der Tiere hat eine Zahl von inzwischen ca. 130 Tieren ergeben. Also sind auch die goldenen Tiere äußerst produktiv. Auch sind alle Nachkommen reinerbig (das Merkmal "Xanthorismus" ist also eindeutig rezessiv)  und irgendwelche Mißbildungen - es wurde ja die These geäußert, daß die xanthorischen Tiere eine Folge von Inzucht seien - konnte ich bisher noch nicht feststellen.

Abgegeben habe ich noch keine Tiere, auch wenn ich unerwartet zahlreiche Nachfragen erhalten habe. Ich bin mir im Moment noch nicht sicher - auch gerade aufgrund einiger "merkwürdiger" Reaktionen von einigen "Hochzuchtverfechtern" (möchte ich hier nicht näher drauf eingehen) - , ob ich die Tiere überhaupt in den Umlauf bringen möchte.


20.02.2008 - Maulsperre

Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - Weibchen mit Maulsperre
Weibchen mit Maulsperre

Die Gier beim Fressen hat bei einem goldenen Endler-Weibchen dazu geführt, daß es ein kleines Holzstück verschlungen hat. Dieses hat sich nun anscheinend so ungünstig im Maulraum verkantet, daß das Tier an einer heftigen Maulsperre leidet. So wie es aussieht ist dem Tier aber wohl leider nicht zu helfen. Dies ist das erste Mal in vielen Jahren, daß der unerwünschte Beifang (Dreck) beim Tümpeln zu einem solchen Zwischenfall führt. Ich sehe das als absolute Ausnahme, welche ich jetzt keinesfalls als Argument gegen Tümpelfutter verstanden wissen möchte!


08.07.2008 - Vermehrung

Poecilia wingei (Endler Guppy "Blond") - Fütterung
 Fütterung

Die blonden Endler vermehren sich immer noch reichlich, inzwischen sind es sicher 100 ausgewachsene und gute 300 Jungtiere. Gerade bei den ausgewachsenen Männchen zeigt sich eine gewisse Variabilität insbesondere bei den roten Farbanteilen. Zudem hat sich gezeigt, daß sich bei Verpaarung von goldenen Männchen und normalfarbenen Weibchen eine größere Zahl goldener Jungtiere erzielen läßt (was nach den Mendelschen Regeln auch nicht weiter verwunderlich ist).

Langsam muß ich mir auf jeden Fall ernsthaft überlegen, was ich mit den Tieren anfange. Erste Tests haben inzwischen ergeben, daß die goldenen Jungtiere ebenso gerne von meinen anderen Kellerbewohnern gefressen werden wie die normalfarbenen Tiere.

Eine - so wie ich meine - interessante Beobachtung lässt sich bei den Tieren noch machen. Bei den originalfarbenen Tieren habe ich häufig trächtige Weibchen in ein separates Becken gesetzt, das Weibchen nach dem Absetzen der Jungfische entfernt und die Jungfische dann die ersten Tage in diesem Becken aufgezogen. Gleiches habe ich mit mehrfach mit goldenen Weibchen versucht und musste feststellen, dass immer nur vereinzelte Jungfische im Absetzbecken zu finden waren. Den Grund sah ich erst einige Zeit später, als ich beobachten konnte, dass das Weibchen den Jungfischen direkt nach der Geburt sehr erfolgreich nachstellte.

Sollten hier die Weibchen etwa ihre eigenen Jungfische aufgrund der goldenen Färbung nicht erkennen? Zumindest konnte ich bei den originalfarbenen Tieren niemals beobachten, dass sie den Jungfischen nachstellen, bei den "Blonden" gehört das hingegen zum normalen Verhalten. In der Gruppe kommen kaum einmal Jungfische hoch.